Pferdgestützte Therapie, Förderung und Sport im Zeichen der Zeit

Bad Segeberg (dkthr-press). Am 2. und 3. April fand die VIII. Interdisziplinäre Fachtagung des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten (DKThR) in Bad Segeberg als hybride Veranstaltung statt. Passend zum Tagungsmotto „… im Zeichen der Zeit“ eröffnete der renommierte Zukunftswissenschaftler Professor Horst Opaschowski die Tagung und unterstrich dabei die Zeitenwende, die die Pandemie und der Krieg für vor allem für die jetzige Generation bedeuten. Im Rahmen der zweitätigen Tagung fand eine angeschlossene Mitgliederversammlung und ein festliches Abendessen statt, an der auch Dieter Medow, Vorsitzender des Pferdesportverbands Schleswig-Holstein (PSH) und Präsidiums Mitglied der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) sowie Matthias Karstens, Geschäftsführer des PSH teilnahmen.

„Gut zu wissen, was wird.“ Eine fundierte Zukunftsprognose

Mit dem Eröffnungsvortrag stimmte Prof. Dr. Horst Werner Opaschowski (Börnsen), Erziehungswissenschaftler, Zukunftsforscher und Berater für Politik und Wirtschaft, die Teilnehmer auf die Zeitenwende ein, der Herausforderung zwischen Krise und Krieg. Eindrucksvoll stellte er die fünf Risiken für das künftige Zusammenleben, die sieben Chancen für eine lebenswerte Zukunft und die zehn Gebote für das 21. Jahrhundert vor.

Gesundheitswesen im Fokus

Hintergründe des deutschen Gesundheitswesens vertiefte in seinem Vortrag Dr. med. Jan Holger Holtschmit, Präsident des ANOA-Klinikverbundes und Vorstandsvorsitzender des DKThR. Dabei erlaubte er sich einen durchaus kritischen Blick auf die Verwirtschaftlichung der Medizin mit Themen wie diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) und daraus resultierendem Kostendruck, ohne einer systematischen Berücksichtigung von Qualität und Unterbesetzung in der stationären Krankenpflege, etc.

Wie es um die Heilberufe im deutschen Gesundheitswesen steht, arbeitete Kerstin Sundmacher (Göttingen) von Physio Deutschland – Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK) heraus. Ergänzt wurde das Vorstandsmitglied im ZVK-Nordverbund für den Landesverband Niedersachsen durch Corinna Wagner, Sprecherin der Arbeitsgruppe Hippotherapie (DKThR)® sowie Beauftragte für Therapeutisches Reiten/ Hippotherapie bei Physio Deutschland.

Themen der pferdgestützten Therapie und Förderung in Schleswig-Holstein

DKThR-Landesbeauftragte Wiebke Wieschendorf (Bevern) hatte ein vielseitiges Programm zusammengestellt, das zeigte, welch hohen Stellenwert die pferdgestützte Arbeit mit dem Pferd im nördlichsten Bundesland Deutschlands hat.

Sie stellte dem bundesweit angereisten Plenum den Fachbeirat Therapeutisches Reiten innerhalb des Pferdesportverbands Schleswig-Holstein (PSH) vor. Dieser gründete sich bereits 1980 und setzt sich zusammen aus der Geschäftsführung des PSH, der DKThR-Landesbeauftragten und Vertretern aller Fachbereiche des therapeutischen Reitens (pferdgestützte Therapie, Förderung und Pferdesport für Menschen mit Behinderung). Der Fachbereit informiert und berät sowohl Fachkräfte als auch Klienten und Patienten. Er leistet Öffentlichkeitsarbeit (Presse, Messen, Pferdesportveranstaltungen), richtet jährlich eine Fachtagung für Fachkräfte in der pferdgestützten Therapie und Förderung aus und unterstützt sowohl Fachkräfte als auch Patienten und Klienten durch einen Fonds.

Vorgestellt wurde auch die Stiftung Therapeutisches Reiten Jürgen Dulz. Sie ist hervorgegangen aus dem jahrelangen Engagement eines der Gründungsmitglieder des Fachbeirats Therapeutisches Reiten, Jürgen Dulz. Die Stiftung unterstützt die Arbeit von Institutionen, die therapeutisches Reiten durchführen, einmalig oder regelmäßig, auf Antrag, aus dem Erlös des Stiftungsvermögens. Die Fachtagung des DKThR wurde auch von der Jürgen Dulz-Stiftung unterstützt.

Astri Fromm (Rohlstorf) und Jutta Pfeiffer (Handewitt) stellten die die Arbeitsgemeinschaft Hippotherapie „Hippo-Nord“ vor. Diese wurde 1999 gegründet und setzt sich zusammen aus Hippotherapeuten aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Zwei- bis dreimal jährlich finden Treffen statt mit dem Ziel, durch fachliche Austausch und der Organisation von Fortbildungen die Qualität ihrer Arbeit stetig zu verbessern.

„Lernen am anderen Ort – eine Chance zur Förderung der Inklusion?“ Das ist das Thema einer qualitativen Studie am Beispiel des Pferdesports, vorgestellt durch Mara Wieschendorf aus Bevern. Die Forschungsfrage: „Stellt das Reiten an Schulen eine Chance zur Förderung der Inklusion das?“ konnte klar mit „Ja“ beantwortet werden. „Pferde leben uns vor, wie wir Menschen uns gegenseitig begegnen sollten. Würde sich jeder an diesen Eigenschaften der Pferde orientieren, dann würden wir das Problem der Diskriminierung auf Grund einer Behinderung beispielsweise nicht haben“, so die junge Pädagogin.

Anika Schlüter (Tornesch) stellte die große Angebotsvielfalt des Moorhofs vor. Der Familienbetrieb wird bereits in der sechsten Generation bewirtschaftet. Zum Moorhof gehören seit 30 Jahren Pensionspferde, seit 20 Jahren reitpädagogischen Angebote mit dem Schwerpunkt „Sensorische Integration“ und seit einem Jahr ein Naturkindergarten.

Blick über den Tellerrand

Pferdgestützte Therapie nach dem EAGALA-Modell wurde vorgestellt durch Dipl.-Psych. Thomas Kleinheinrich aus Münster. EAGALA (Equine Assisted Growth and Learning Association) ist eine standardisierte Methode pferdgestützter Arbeit. Die Anwendungsfelder liegen u.a. in der Ausbildung, im Coaching, in der Kinder- und Jugendhilfe, Paar- und Familientherapie, in der Psychotherapie von Menschen mit psychischen Erkrankungen, in der Psychotherapie schwer zugänglicher/ therapierefraktärer Zielgruppen und in der Traumatherapie. Der Fokus liegt auf der Beziehung zwischen Pferd und Klient. Emotionen sollen aktiviert werden.
Amélie von Bülow-Sartory (Wittmoldt), Hippotherapeutin (DKThR) ergänzte die theoretischen Ausführungen mit den Blick aus der Praxis. Sie führt eine seit Jahren vom DKThR anerkannte Einrichtung und hat sich parallel dazu auch der EAGALA-Methode geöffnet.

Pferdgestützte Therapie gegen Rheuma

Wie die pferdgestützte Therapie und Förderung am St. Josef-Stift im nordrhein-westfälischen Sendenhorst ins Behandlungskonzept eines der größten Zentren für Kinder- und Jugendrheumatologie deutschland- und europaweit eingebunden ist, stellte Privatdozent Dr. Daniel Windschall, Facharzt für Pädiatrie/Kinderrheumatologie/Neonatalogie und Chefarzt der Klinik vor. Das Projekt startete im November 2020 und wird maßgeblich vom DKThR unterstützt. Für die nachhaltige Etablierung der pferdgestützte Therapie und Förderung werden die Auswirkungen und Effekte auf die jungen Patienten gemessen und strukturiert ausgewertet.

Qualitätssicherung für pferdgestützte Therapie und Förderung durch einheitliche digitale Dokumentationsbögen

Wie es möglich ist, die Wirksamkeit therapeutischer und (heil-)pädagogischer Förderung sowie individuelle Therapie- und Förderverläufe evidenzbasiert abzubilden und die vielfältigen Effekte der pferdgestützten Therapie und Förderung sichtbar zu machen, stellten Isabel Stolz (Frechen), Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport (FIBS), An-Institut der Deutschen Sporthochschule Köln und Désirée Frerich (Frechen), Reit- und Voltigierpädagogin (DKThR) vor. Dabei geht es um ein digitales Dokumentations- und Evaluationstool, welches Fachkräften, die Dokumentationsarbeit erleichtert, gleichzeitig Entwicklungsverläufe von Patienten und Klienten wissenschaftlich überprüfbar und überprüfbar für Entscheidungsträger macht. Entstanden ist nach zweijähriger Arbeit eine APP für Fachkräfte der pferdgestützten Therapie und Förderung ICF-basiert.

Ehrungen

Im Rahmen der Fachtagung wurde auch die Mitgliederversammlung des Verbands abgehalten. Feierlich wurde es für Bernhard Ringbeck, ehemaliger Mitarbeiter der Schulpsychologischen Beratungsstelle der Stadt Münster. Er wurde mit der DKThR-Ehrennadel und Graf-Landsberg-Medaille für sein außergewöhnliches Engagement für die pädagogische Förderung mit dem Pferd und die Förderung der inklusiven Gesellschaft geehrt.

*Die interdisziplinäre Fachtagung des DKThR ist eine alle zwei Jahre stattfindende Veranstaltung.

Text: Elke Lindner, DKThR

Der renommierte Zukunkftswissenschaftler Professor Horst Opaschowski eröffnete die Tagung.
Foto: DKThR

Die Tagung fand in Bad Segeberg im Vitalia Seehotel als hybride Veranstaltung statt. 
Foto: DKThR

Zweifache Ehrung Bernhard Ringbeck April 2022

Rosalie Gräfin von Landsberg-Velen (Vorstand DKThR), Dr. Jan Holger Holtschmit (Vorsitzender des DKThR), Bernhard Ringbeck, Dieter Medow (Präsidium FN)
Foto: DKThR